Buch: Santiago Sierra & Franz Erhard Walther

Die Publikation erscheint aus Anlass des gleichnamigen Projekts, das in Kooperation zwischen dem Kunstraum München und En Plein Air 2023 realisiert wurde. Zwischen dem 10. September und dem 15. Oktober 2023 wurden an vier Sonntagen insgesamt acht Performances realisiert – sowohl im Kunstraum als auch im öffentlichen Raum. Das Projekt, das diese beiden Künstler aus unterschiedlichen Generationen zusammenbrachte, fand im Rahmen des 50. Jubiläumsjahr des Kunstraum München statt.

Vorgestellt wird »Santiago Sierra & Franz Erhard Walter« von Emily Barsi und Patricia Drück.

Das Projekt, das diese beiden Künstler aus unterschiedlichen Generationen zusammenbrachte, fand im Rahmen des 50. Jubiläumsjahr des Kunstraum München statt. Santiago Sierra ließ an verschiedenen Orten in München Geflüchtete aus Kriegsgebieten, die sich zu dieser Zeit in München aufhielten, fotografieren. Die Arbeit steht exemplarisch für sein Oeuvre, das sich kritisch-konfrontativ mit ökonomischer Ausbeutung, rassifizierenden Migrationspolitiken und strukturellen Vorurteilen beschäftigt.
Im Wechsel mit den Performances von Santiago Sierra fanden Aktivierungen ausgewählter Objekte von Franz Erhard Walther statt. Der partizipative wie performative Charakter der Aktionen, die unterschiedliche Personengruppen mit einbezogen haben, bewirkte nicht nur einen Dialog zwischen den beiden Künstlern, sondern vermochte an ungewohnten Orten im öffentlichen Raum ein neues Publikum zu erschließen.
 
Die 60-seitige Publikation dokumentiert und kontextualisiert nun dieses vielschichtige Projekt anhand verschiedener Textbeiträge und ausgewählter Fotografien und gibt einen Rückblick auf die Aktivierungen von Franz Erhard Walther und die Aktionen von Santiago Sierra. Zudem beinhaltet die Dokumentation eine Auswahl der Fotografien, die in das künstlerische Archiv von Santiago Sierra eingegangen sind. Texte von Emily Barsi, Patricia Drück, Philipp Haas, Jürgen Moises, Angelika Stepken sowie ein Interview mit Abdulla Al-Hawta beleuchten das Projekt aus unterschiedlichen Perspektiven.

»Santiago Sierra & Franz Erhard Walther«
Hrsg. von Emily Barsi und Patricia Drück für Kunstraum München e.V. und En Plein Air
Mit Texten von Emily Barsi, Patricia Drück, Philipp Haas, Jürgen Moises, Angelika Stepken und einem Interview mit Abdulla Al-Hawta
Gestaltung: Lisa Nadine Karl x Werbeagentur THE CROOKED YOUNG
Verlag: Kunstraum München, Englisch, 316 Seiten, ISBN: 978-3-948754-08-2


Gefördert durch: Kulturstiftung der Stadtsparkasse München, Kulturreferat der Landeshauptstadt München

En Plein Air 2025: Béla Juttner

Im Rahmen der Kooperation von »En Plein Air 2025« und dem Kunstraum findet die Performance »Lebenslauf 1« des Künstlers Béla Juttner im öffentlichen Raum statt. Geplant ist eine Wanderung durch die Stadt, die am Isarufer auf Höhe der Reichenbachbrücke in einer partizipativen Performance endet. Zentraler Bestandteil der Wanderung ist das Tragen eines 100-fach vergrößerten Babyjäckchens – Kern seines konzeptuellen Lebenswerks »Your Solid Life«, ein Langzeitprojekt des Künstlers, welches lebenslang dokumentiert, ausgestellt und in Performances/ Lebensläufen aktiviert wird .

Achtundzwanzig Lagen der Jacke, die den Lebensjahren des Künstlers entsprechen, werden vor Ort mit Roter Bete eingefärbt und zwischen Bäumen getrocknet. Das Publikum wird aktiv eingebunden und zur Auseinandersetzung mit Themen wie Körper, Identität und Geschlecht eingeladen. Die Performance wird filmisch dokumentiert und Ende August öffentlich im Kunstraum München präsentiert.

Story

Der Künstler und Modedesigner Béla Juttner stieß in den Familienarchiven auf ein Foto, das seinen allerersten Ausflug als Baby dokumentierte. Dabei handelte es sich um Kleidung des Modeschöpfers Yves Saint Laurent. Die magentafarbene Samtjacke und Mütze waren von seiner Mutter auf einem Flohmarkt erstanden. Dieses allererste Outfit wird nun Ausgangspunkt für sein konzeptionelles Kunstwerk. Das Originalschnittmuster der YSL-Babyjacke wird 100-mal vergrößert, ohne die ursprüngliche Form zu verändern. Wie Baumringe um das Original entsprechen die Umrisslinien dem Alter eines Menschen.

Béla Juttner

In Béla Juttners künstlerischer Arbeit spielen Gattungsgrenzen kaum noch eine Rolle; die Übergänge von Installation, Performance, Mode, Design, Malerei und Film sind fließend. Seine Performances thematisieren Körperverwandlungen, Häutung und Auflösung von Geschlechtsidentitäten. Die Erfahrungen der Arbeit am und mit dem eigenen Körper beim Ballett sowie während des Modedesignstudiums hat Béla Juttner in seinem Kunststudium mit gesellschaftlichen Fragestellungen verschränkt.

Seine Aktionen werden unter Einbeziehung von Betrachter:innen und Publikum auf- und durchgeführt. Wesentlicher Bestandteil hierbei ist das Entwerfen von Kostümen und deren Design. Die einzelnen Elemente, die als Bestandteile einer physischen Sprache auftreten, ergeben eine Art ästhetische Gesamtfigur, die auf die Mehrdeutigkeit menschlicher Beziehungen hinweist und gesellschaftliche Normen hinterfragt. Dokumentiert werden seine Performances in Videos, die dann wiederum zu eigenständigen künstlerischen Arbeiten werden.

Kuratiert von Emily Barsi und Patricia Drück

Daniela Georgieva

[English version below]

Mit der Performance »gestures in space« lotet die Künstlerin Daniela Georgieva aus Düsseldorf den historischen Montgelas-Saal im Bayerischen Hof körperlich und tänzerisch aus. Sie kettet Geste um Geste aneinander, um diese zu skulpturalen Bewegungen und Körpern werden zu lassen. Dabei liegt ihre Konzentration auf je einem Körperteil und dessen Erforschung im Kontext von Körper, Bewegung und Raum. Sie entwirft, strukturiert oder verwirft Bewegungs- und Körpermuster und konzipiert diese radikal um.

Ihre künstlerische Handschrift als Choreographin ist besonders durch die Verschmelzung von zeitgenössischem Tanz, visueller Kunst und elektronischer Musik geprägt. Eine wichtige Referenz ist die Praxis des Judson Dance Theaters, dem in den 1960er-Jahren in New York gegründeten Zusammenschluss von Künstler:innen verschiedener Gattungen: Alltägliche Bewegungen und Gesten, Spielstrukturen, einfache Aufgaben und soziale Interventionen wurden in die Performances integriert und der Tanz damit revolutioniert.

In enger Zusammenarbeit mit Künstler:innen aus Bühnenbild, Kostüm und Musik entstehen Georgievas dichte Choreographien als interdisziplinäre Gesamtkompositionen und multisensorische Arbeiten für ein vielfältiges Publikum – im White Cube des Museums, in der Black Box im Theater, im öffentlichen Raum oder einer Festivalsituation wie zur diesjährigen Ausgabe von Various Others.

Daniela Georgieva (*1979) stammt aus Bulgarien und lebt und arbeitet heute in Düsseldorf. Als interdisziplinäre Künstlerin, die ursprünglich aus der bildenden Kunst kommt und als Soundkünstlerin Pony selbst elektronische Musik produziert hat, konzentriert sie sich seit 2016 ausschließlich auf Tanz und Performancekunst. In ihrer künstlerischen Arbeit thematisiert sie vielfältige Beziehungsebenen, die in der Körperlichkeit und im Tanz zum Ausdruck kommen und verleiht den komplexen Verbindungen zwischen Menschen eine sichtbare Form. Dabei hinterfragt und dekonstruiert sie gesellschaftliche Normen und Machtstrukturen, insbesondere in Bezug auf Körperbilder, Alter, Geschlechterrollen und queere Identitäten und lässt Raum für die Vielfalt tänzerischer Körper und genderneutrale Ausdrucksformen entstehen.

Zuletzt waren ihre künstlerischen Produktionen in der Kunsthalle Düsseldorf, dem tanzhaus nrw, im brut Wien, im Rahmen des düsseldorf festivals und auch überregional als Kunst im öffentlichen Raum zu sehen. Außerdem unterrichtet Georgieva an der Peter Behrens School of Arts in Düsseldorf am Fachbereich Design im Kontext Raum.

Eingeladen von Friederike Schuler

Im Rahmen von Various Others: 8. – 11. Mai 2025


With the performance gestures in space, the artist Daniela Georgieva from Düsseldorf explores the historic Montgelas Hall in the Bayerischer Hof physically and through dance. She chains gesture after gesture together to turn them into sculptural movements and bodies. Her main focus is on one part of the body at a time and its exploration in the context of body, movement and space. She designs, structures or discards movement and body patterns and radically reconceptualizes them.

Her artistic signature as a choreographer is particularly characterized by the fusion of contemporary dance, visual art and electronic music. An important reference is the practice of the Judson Dance Theatre, an association of artists from various genres founded in New York in the 1960s: Everyday movements and gestures, structures of play, simple tasks and social interventions were integrated into the performances, thus revolutionizing dance.

In close collaboration with artists from the fields of stage design, costume and music, Georgieva creates dense choreographies as interdisciplinary overall compositions and multi-sensory works for a diverse audience – in the museum’s white cube, in the theatre’s black box, in public spaces or in a festival setting such as this year’s edition of Various Others.

Daniela Georgieva (*1979) originates from Bulgaria and lives and works in Düsseldorf for more than twenty years. As an interdisciplinary artist who originally comes from the visual arts and has produced electronic music herself as sound artist Pony, she has focused exclusively on dance and performance art since 2016. In her artistic work, she thematises diverse levels of relationships that are expressed in physicality and dance and gives the complex connections between people a visible form. In doing so, she questions and deconstructs social norms and power structures, particularly in relation to body images, age, gender roles and queer identities, and creates space for the diversity of dancing bodies and gender-neutral forms of expression.

Most recently, her artistic productions have been shown at Kunsthalle Düsseldorf, tanzhaus nrw, brut Wien, as part of the düsseldorf festival and also nationally as art in public space. Georgieva also teaches design in the context of space at the Peter Behrens School of Arts in Düsseldorf.

Inivted by Friederike Schuler

As part of Various Others: May 8-11, 2025

Sommeratelier

2024 Florian Donnerstag – Christiane Huber

2023 Sandra Hauser – Joseph Maurus Wandinger

2022 Max Weisthoff

2021 Paula Leal Olloqui

2020 Claudia Barcheri – Codula Schieri

2019 Frauke Zabel

2018 Boris Maximowitz

2017 Anita Edenhofer – Matthias Gumberger

2016 what remains gallery

2015 Robert Crotla

2013 Stefanie Hammann und Maria van Mier

Franziska Nast

»Maybe baby,
maybe mood,
sometimes moody,
mood kommt vor.
Depends.«

In ihrer Ausstellung im Kunstraum München vermischt Franziska Nast existenzielle und weniger dramatische emotionale Zustände zu einem Gesamtbild. Zwischen Vergänglichkeit, Unbeschwertheit, Sehnsucht, Party, Glamour und Widerstand entfalten sich in Ober- und Untergeschoss des Kunstraum die komplexen Gemütslagen des »nasty universe«.

Immer wieder verwendet Nast Techniken auf Untergründen, die nicht für solche Anwendungen vorgesehen sind: Sie arbeitet bevorzugt mit kontrastierenden Materialien wie Haut, Reispapier, Metall oder Asphalt, in die sie zeichnet, tätowiert, perforiert oder sandstrahlt. So fügt sie in die Oberflächen von sowohl gefundenen als auch selbst produzierten Materialien verschiedene Zeichnungen und Texte ein, die in einen Dialog mit den persönlichen und gesellschaftlichen Bedeutungen der Objekte treten. Dabei verknüpft Nast Themen wie Erinnerung, Care-Arbeit und Affekt und legt zugleich Brüche und Überlagerungen ihrer multiplen Rollen als Künstlerin, Betreiberin des Modelabels Fack Fushion, Tätowiererin, Buchgestalterin, Mutter und Mitbegründerin des Kunstverein St. Pauli offen.

In Foto- und Videoarbeiten, Zeichnungen und bronzierten Skulpturen verschränkt Nast dabei autobiografische Elemente mit feministischen, kunsthistorischen und popkulturellen Referenzen. Ein wiederkehrendes Objekt ist ihre Alocasia macrorrhiza (im Volksmund Elefantenohr), eine Zimmerpflanze und treue Wegbegleiterin der Künstlerin, die seit vielen Jahren einen Platz in ihrem Hamburger Atelier hat. Die Alokasie ist nicht nur in die Kolonialgeschichte botanischer Gärten verstrickt, sondern auch Teil von Nasts Familie, und findet wie alle Familienmitglieder regelmäßig Eingang in die künstlerische Auseinandersetzung. 
Im Kunstraum München trifft dieses palmenartige Gewächs auf Bilder von Zahnabdrücken der Künstlerin, die als Träger für Schmuck und Botschaften fungieren (»Zähneknirschen mit Bling-Bling!«) und auf eine tätowierte Urne. 

Fast meint man, einen pulsierenden Beat zu spüren, der sich über das Gesamtgefüge legt und dabei eine Wandarbeit aus Erdnüssen streift (»was haben Alokasien mit Erdnüssen zu tun?«) bis er sich im Sonnenuntergang eines raumgreifenden Videos auflöst – »into the nasty universe, vom feeling her!«

Kuratiert von Lena von Geyso und Nina Holm.

Das Bild trägt die Überschrift "Still Loving Vamirzähne" und zeigt in blau gehaltene kleine Zeichnungen, die als Muster für Tattoos dienen.

F. Nast, Tattoo-Motivkollektion, 2025


Zur Finissage am Sonntag, 6. Juli 2025, ab 12 Uhr, lädt die Künstlerin zu einem ihr noch unbekannten Programm ein. (»Kommt auf den mood und das money an!«)
Weitere Informationen folgen kurzfristig. Alles, was wir bisher wissen *:

»Finissage – (Some mood in the meantime)(Stimmung in der Zwischenzeit)
In einem moody & hybriden Zusammenspiel von Analogem und Digitalem erforscht das nasty Rahmenprogramm die wechselseitige Beziehung zwischen Mensch und Ding.
Haut kommt vor. Mood kommt vor. Depends.
Die Arbeiten von Nast kreisen um Identität, Weiblichkeit und soziale Normen und eröffnen dabei Zwischenräume des Wandels. Was bedeutet es, die Gestalt wechseln zu können, in einer manchmal magischen Welt? Getting lost.
Wann, wie, wo – bleibt offen. Abhängig vom Mood entstehen kurze Zwischen-Intermezzi, deren Bekanntgabe kurzfristig erfolgt.
Ein Ort des discovery, Entdeckung und Begegnung – zumindest mal von Möglichkeiten.
Ja, ey, maybe paradise im jardin de regrets.«

* Jetzt wissen wir schon mehr:

Temporäres Tattoo-Studio
Dienstag, 1. Juli bis Donnerstag, 3. Juli 2025
Da die Termine begrenzt sind, bitten wir um Anmeldung per E-Mail: info(at)franziskanast.de

Zum Ausklang der Ausstellung »M wie Mood« von Franziska Nast verwandelt sich das Erdgeschoss des Kunstraum München in ein temporäres Tattoo-Studio. Seit 2012 führt Nast, die bei dem Tätowierer und Fotografen Herbert Hoffmann das Tätowieren lernte, ausstellungsbegleitende Sessions durch. Die eigens für den Kunstraum entwickelte Motivkollektion »Still loving Vampirzähne« greift zentrale Elemente von »M wie Mood« auf. Wie bei Nasts ortsspezifischen Tattoo-Interventionen üblich, sind die Motive exklusiv und nur an diesen drei Tagen im Kunstraum erhältlich. Die Tattoos fungieren dabei gleichermaßen als Edition und körperliches Ausstellungsarchiv.

Finissage zum Open Art Munich Gallery Weekend
Sonntag, 6. Juli 2025, ab 12 Uhr
Die Künstlerin ist anwesend.

Dialogische Gesprächscollage
Sonntag, ab 16 Uhr
mit Franziska Nast, Michael Hirsch, Lena von Geyso und Nina Holm

Gemeinsam nähern sich der Philosoph, die Künstlerin und die beiden Kuratorinnen in spontaner und dialogischer Form der Ausstellung an und nehmen dabei auf Motive zu Arbeit, Sehnsucht und künstlerischen Strategien des »Durchlöcherns« Bezug – angelehnt an Passagen aus Nasts umfassendem Künstler:innenbuch »RRRRReality« (Textem Verlag, 2023) und dem jüngsten Buch »Durchlöchert den Status Quo« von Michael Hirsch (zusammen mit Kilian Jörg, Edition Nautilus, 2025).

Franziska Nast ist bildende Künstlerin, Buchgestalterin und Fashion Designerin und arbeitet in den Bereichen Zeichnung und Multimedia. 2011 schloss sie ihr Studium in Bildender Kunst und Kommunikationsdesign an der HBK Braunschweig ab. Seit 2007 praktiziert sie als Schülerin und Freundin des Tätowierers Herbert Hoffmann das Tätowieren. Daneben ist sie Mitgründerin des Kunstvereins St. Pauli in Hamburg, mit dem sie seit 2006 experimentelle Ausstellungsformen im urbanen Kontext entwickelt. In ihrer künstlerischen Praxis arbeitet Nast mit Metamorphosen von Techniken und Zeichnungen, wobei die Arbeitsmethoden und Materialien immer wieder hinterfragt und in verschiedenen Bereichen neu interpretiert werden.
Nast hat national und international ausgestellt, darunter im Kunstverein Wolfsburg (2024), im Kunsthaus Hamburg (2021) oder im Kunstverein Miagao, Philippinen (2020). Ihre erste museale Einzelausstellung fand 2023 im Arp Museum, Bahnhof Rolandseck, statt. Sie erhielt mehrere Stipendien und Auszeichnungen, darunter das Hamburger Zukunftsstipendium (2021) und das NEUSTART KULTUR-Stipendium der Stiftung Kunstfonds (2022).

Michael Hirsch ist promovierter Philosoph, Politikwissenschaftler und Kunsttheoretiker. Er lehrt politische Theorie an der Universität Siegen und arbeitet als freier Autor in München. Seine Arbeit kreist um kritische Gesellschaftstheorie, Kulturpolitik und Ästhetik. Zu seinen aktuellen Publikationen zählen »Durchlöchert den Status Quo. Autonome Zonen, radikale Demokratie und Ökologie« (zusammen mit Kilian Jörg, 2025), sowie »K – Kulturarbeit: Progressive Desillusionierung und professionelle Amateure« (2022) sowie »R – Richtig Falsch. Es gibt ein richtiges Leben im Falschen« (2019).


Das Projekt wird unterstützt durch die Klaus-Dahms-Stiftung für Bildung, Kultur und Sport und die Erwin und Gisela von Steiner-Stiftung.
Die Werkproduktion von Franziska Nast wird gefördert durch die Liebelt-Stiftung Hamburg.

Tin Makes Sense Gastprojekt

Das Gastprojekt »Crotla Presents: Tin makes Sense« zeigt die Ergebnisse eines kollaborativen Arbeitsprozesses, in dem sich die eingeladenen Künstler:innen mit dem Material Zinn experimentell auseinander gesetzt haben. Die Arbeiten werden gemeinsam installativ präsentiert.

Ein Gastprojekt im Kunstraum, aus Anlass der Münchner Schmuck


Der Einfluss von Metallen auf die Menschheit wird bezüglich der Nomenklatur langandauernder Perioden der Menschheitsgeschichte evident. Verwendung findet in der Ausstellung „Tin makes Sense“ Zinn, welches bereits ab der Bronzezeit seinen Einsatz in der namensgebenden Legierung findet, zusammen mit Kupfer. Als eines der am frühesten verarbeiteten Metalle lässt sich dessen historische Bedeutung nicht leugnen, auch, wenn sich die Natur der Produkte gewandelt hat: Während man mittelalterlichen Pilgermarken aus einer Blei-Zinn-Legierung sogar eine heilende Wirkung nachgesagt hat, kann man gleiches nicht von modernen 10-, 20- und 50-Cent-Münzen behaupten, obgleich diese ebenfalls Zinn enthalten. Beide Objektklassen verbindet jedoch eine ähnliche Implikation: Sie sind Beweise für abstrakte Stellvertreterbeziehungen, Transaktionen und Transformationen.

Der Fokus der Ausstellung „Tin makes Sense“ schöpft sowohl aus dem Gewicht des historischen Metalls Zinn als auch aus dem graduellen Verfall seines metaphysischen Werts: Besitzt Zinn in seiner reinen Form noch eine valide Daseinsberechtigung, oder hängt dessen Akzeptanz nur mehr an seinem Nutzen als Beimischung zu anderen Metallen? Wie kann es in den Fokus gerückt werden, wenn es größtenteils nur als Legierungszusatz Verwendung findet, wobei im Anschluss das Endprodukt seine Bestandteile vollkommen überschattet?

Aufgestellt wird die Behauptung, dass genau ebendiese Eigenschaft Zinn als Material von anderen abhebt. Sein bei 231,9°C liegender Schmelzpunkt erleichtert maßgeblich die Bearbeitung und erlaubt die unkomplizierte Formung des Metalls unter niedrigem Energieaufwand. Die Legierungen in Verbindung mit Kupfer, Blei, Zink oder Antimon weisen Robustheit und Stabilität auf: ‚Zinngeschrei‘, das brutal terminierte Geräusch charakteristischen Knirschens beim Verbiegen reinen Zinns, setzt selbst bei geringer Beimengung anderer Metalle aus. Als Lot zeichnet sich die Zinnlegierung durch ihren niedrigen Schmelzpunkt und die Qualität, andere Metalle zu binden, aus. Wenngleich Zinn in der Ausstellung Verwendung in seiner Reinform findet, unterstreichen die bewusst gezogenen Seilstrukturen dennoch das metaphorische Potenzial für Verbindungen.

Die Idee dieser Ausstellung ist die sogenannte ‚Art Collaboration‘, bei der die Vielfalt der Perspektiven zu zufälligen Beziehungen zwischen den gemeinsam aus Zinn angefertigten Werken führt. Genauso wie Zinn als Mittel zum Zweck für legierte Endprodukte benutzt wird, so akzentuiert die Ausstellung die Rolle des Schwermetalls im Herstellungsprozess und betont seine Funktion als verbindender Bestandteil innerhalb eines facettenreichen Großen und Ganzen. Durch die Vielfalt der Perspektiven entsteht ein Endprodukt, welches schließlich kohäsiv von eigens gefärbten Jutestricken zusammengehalten wird. So wird jede Baumstruktur ein eigenes Werk, das Autorschaft verschmelzen lässt. Eine Legierung im metaphorischen Sinn. Durch Zinn, Jute, und Menschenhand.

Obgleich Zinnlagerstätten heutzutage weitestgehend ausgebeutet sind, greift Crotla – wie ein Seifner – in Vergessenheit geratenes Material wieder auf. Durch die Verbindung der einzelnen Werke untereinander zu Sinngemeinschaften ermöglicht er so in Zusammenarbeit mit den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern mehrschichtige Interpretationen des ausgestellten Konglomerats.

Ramona Šeremešić

Foto: Gabriele Kunkel

Nina Annabelle Märkl

Nina Annabelle Märkls Arbeiten bewegen sich an der Schnittstelle zwischen Zeichnung, Installation und Objekt. Oftmals entstehen modular-landschaftliche Settings, in denen die einzelnen Elemente miteinander in Dialog treten und die Betrachtenden in ein Spiel mit der eigenen Wahrnehmung und des Perspektivwechsels mit einbeziehen. 

Die Monografie Scapes vereint verschiedene Stränge der Arbeit in der Vielfalt ihrer Verknüpfungen und Sprünge, die in der Unterschiedlichkeit ihrer Erscheinungsform aufeinanderfolgen oder sich in einzelnen Anordnungen durchdringen.

Im Gespräch mit Alexander Steig geht es um werkbiografische Entwicklungen und Ordnungsstrukturen sowie um die Durchlässigkeit zwischen Zeichnung und Raum, Innen und Außen.

Matzner, Florian (Hg.): SCAPES. Monografie Nina Annabelle Märkl, Bielefeld/ Berlin, 2024
Kerber Verlag

www.ninamaerkl.com | @nina_annabelle_maerkl

Danilo Bastione

Der in München lebende neapolitanische Künstler Danilo Bastione bietet erzählerisch einen roten Faden zu seiner künstlerische Herangehensweise. In verschiedenen Bereichen hat er seine bildhauerische Praxis konzeptionellen Risiken ausgesetzt, indem er in allen Phasen der Arbeit wissenschaftliche Metaphern heranzieht und weiterentwickelt. Gleichzeitig hat er, im Einklang mit wissenschaftlicher Ethik, Fehler akzeptiert, einzelne Theorien hinterfragt und einen offenen Prozess durchlaufen, bei dem er mit weit mehr Informationen aus der Arbeit hervorgegangen ist, als er zu Beginn besaß. In den publizierten Werkbeispielen wird Wissenschaft auf unterschiedliche Weise thematisiert und jeweils anders »verwendet«, wodurch sich immer neue Bedeutungen entfalten.

Danilo Bastione »Über Sedimente – Fras e‘ Terra«, München, 2025
ICON Verlag